De/Vision - Void (2000) Review







Nachdenkliche Gitarrenklänge, von einem schweren Pianothema umrahmt bilden das Grundgerüst auf dem sich Steffen Keth zu immer ausladenderen Ebenen der sonoren Elegie schwingt.
Zum Ende hin ertönen fernöstliche Chöre und geleiten das Stück mit fremdartiger Erhabenheit hin zur düster-elektronischen Unendlichkeit ("Self-Deception").


Void

Das fünfte Studioalbum De/Visions offenbart gleich mehrere Alleinstellungsmerkmale. So ist es nicht nur das abschließende Werk als Trio (Keyboarder Markus Ganßert stieg wenige Monate nach Release aus), auch das experimentelle Soundbild, das beim Vorgänger "Monosex" erste Einsätze fand wurde weiter ausgebaut. "Progressive Pop" lautete das neue Credo und somit flossen erneut rockige Beiträge, Samples, krachende Schlagzeugeinsätze anstelle steriler Drumcomputer und allerlei weitere Spielereien in die blankpolierte Elektronik ein.

"Re-Invent Yourself" startet die Versuchsreihe passend betitelt mit majestätisch geprägten Klängen, es knarzt und rauscht im Hintergrund und die gepresst erscheinenden Vocals ordnen sich der frischen Soundformel unter. Der Opener mündet im weiteren Verlauf in einen pulsierenden Rock-Song, dessen losgelöste Spielfreude samt mitreißender Hookline pure Aufbruchsstimmung verbreitet.
Dieses Gefühl entlädt sich vollends im sämtliche Ketten sprengenden "Freedom". Lässig groovende Gitarreneinlagen und abermals satte Drums dominieren die verspielten Strophen. Die schallende Hook setzt sich fest, während der allgegenwärtig surrende Sythesizer das Bindeglied zur elektronischen Welt markiert.

Das in sich ruhende "A Prayer" fährt das Kontrastprogramm auf, ohne dass der rote Faden verloren geht. Entspannende Soundfragmente sorgen hier für wohlige Entschleunigung. Der Refrain ist einnehmend mit sanftem Nachdruck, ohne Pathos wird eine kleine, süßlich angehauchte Oase inmitten mächtig scheppernden Industrialwelten ("Hope Won't Die") platziert. Doch "Void" bietet mehr.

Verzerrte Vocodereffekte, unterschwellig brummende Synthies, eine kaum wahrnehmbare Melodie spielt im Verborgenen, ehe sich "Anywhere" in eine donnernde Walze transformiert, die mit viel Biss und Dynamik die Bässe bis zum Anschlag aufdreht. Melodische Gesangslinien verbindet hingegen "Blue Moon" in der " '99 Void-Style-Version" mit spährischen Klangwogen. Der ursprünglich 1995 erschienene Song bekam zum Jahrtausendwechsel ein Facelifting besonnenerer Art spendiert: Über nächtlichen Gewässern, in denen feine Elektronik mitschwimmt glitzert in kühler Brillianz ein bläulich schimmernder Mond und erhellt das stimmungsvolle Szenario in beruhigenden
Farbtönen.

An anderer Stelle schaltet Keth in den Turbo-Modus und gönnt sich in "Ride On A Star" einen gleichsam poppig-prägnanten wie energiegeladenen Astraltrip. "Give In" mit seiner wabernden Strukturierung, arrhythmischen Drumeinsatz und steigernd-treibenden Ausprägungen liegt schwer über der endlosen Spannung des Albums. Einerseits wie eine Drohung, doch vielmehr als sexuell aufgeladenes Spiel.

Der Highlight des Werks hört jedoch auf den Namen "Foreigner", der ersten Single. Scratches, energetische Bigbeats und ein markiges Tastenmotiv treffen auf punktgenaues Drumset, griffige Vocals und schwebend-spacige Einspielungen. Stark.

Ebenfalls ansprechend ist das finale "Remember" in vordergründiger Schwermut, die jedoch von euphonischen Strophen und einprägsamen Chorus behutsam getragen wird. Die Atmosphäre einer aus starrem Eis geformten Halle wird zwar soundtechnisch erzeugt, dem dagegen stehen jedoch die bestärkenden, positiven Lyrics.
Es existiert ein offizieller Remix dieses Songs, der durch lieblich gespielte Gitarrenparts, weiblicher Vocalbegleitung und luftig inszinierten Synthieflächen dem Text zumindest akustisch näherkommt. Die Originalversion punktet aber vielmehr durch diesen krassen Gegensatz. In trister, kalter Umgebung keimt noch immer der zarte Hoffnungsschimmer, den jeder in sich trägt.

"Void" ist anders, anders als die Alben zuvor und anders als die Alben danach. Kein Song gleicht dem Anderen, doch zusammen agieren sie als Einheit.
Mal düster, mal lebensbejahend, mal zart und zugleich kompromisslos. Ein hochinteressantes Zeitdokument der deutschen Synthiepopgeschichte und der gleichzeitige Wandel für die Band.

Von nun an hieß es "Two".


10/10

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