Königreich des Gähnens - GK #136

 
Bildergebnis für königreich der ameisen

Die Zutaten für dieses Hörspiel waren durchaus vorhanden. Ein strategisch-überlegt handelndes Ameisenheer von überdimensionaler Körpergröße terrorisiert die exotischen Amazonasauen, errichtet mit ungezügelter Naturgewalt ein beispielloses Königreich vor den verschlossenen Augen der machtvollen imperialen Krone. Diese verharmlost den krabbelnden Schrecken mit gnadenloser Arroganz in der scheinbar sicheren britischen Heimatfeste. Am Ende nichts als blanke Verbitterung in den Gesichtern der gezeichneten Überlebenden des einzigen, fahrlässigen Anstrengungsversuch der satten Machthaber etwas dagegen zu unternehmen. Das blitzschnell kommunizierende Kollektiv der Ameisenschar mit seiner kühlen Effizienz scheint dem heißblütigen Menschen überlegen zu sein.

Die generelle Umsetzung dieser von H.G.Wells konzipierten Abenteuergeschichte gerät jedoch zur rasanten Talfahrt jener flinken Ameisenstrategen ins Königreich des Gähnens. Der serientypisch angekündigte Grusel, gut versteckt im dichten Dschungelreich.


1899 erhält der playboyverdächtige Kapitän Guerillea den für ihn unwürdigen Auftrag sein heißgeliebtes Kanonenboot "Benjamin Constant" zu satteln und gen Amazonasgewässer loszudüsen um Eingeborene zu schützen und eine mysteriöse Bedrohung zu untersuchen. Ihm zur Seite stehen eine erfahrene Mannschaft und der junge Brite Lucas Holroyd, seines Zeichen Ingenieur und Erzähler. Heißsporn Guerillea und Frischling Holroyd verstehen sich auf Anhieb prächtig und verbringen das gesamte erste Drittel der Hördauer mit ausgiebigen Gesprächen über Land, Frauen und der Sinnhaftigkeit der Mission. Garniert wird dies mit ständigem Alkoholkonsum und Holroyds Klagen über die omnipräsente Mückenplage. Guerillea stört das nicht, er sieht sich vielmehr als Herr des Flusses, über Kanonendonner und Frauenwelt. Ein kurzer Vergnügungsausflug an Land wird nur galant erwähnt, als amouröses Kapitel verzeichnet, in dem sich auch der sonst so distanzierte Erzähler keine Blöße zu geben scheint. Viel mehr akustische Aktion erfolgt beim Lieblingszeitvertreib des Kapitäns, dem grundlosen Erlegen der im Wasser lauernden Alligatoren als kulturell-knallender Höhepunkt der Reise durch die hypnotischen Ödnisspiralen des Flusslaufs.

Stichwort Akustik. Diese zeigt sich detailverliebt realitätsnah und sehr plastisch. Vom stetigen Zirpen der Grillen und Zikaden im undurchdringlichen Buschwerk, dem Klappern von Gläsern vor dem Hintergrund knisternden Kaminfeuers der heimeligen Kapitänsloge bis hin zum dröhnenden Rattern der Schiffschrauben und Wummern der Dampfmaschine, deren maschinelle Wucht die Exotikkulisse erbeben lässt. Alles ist hörbar intensiv, auch die dampfige Schwüle des fremdartigen Klimas ist so exakt gestaltet, dass die schweißnassen, mückenumschwirten Hemden in der funkelnden Glut der untergehenden Abendsonne fast fühlbar sind.

Wer sich jetzt fragt, wann und wo die titelgebenden Ameisen denn nun wüten, der sei notdürftig auf die immerhin spannende Inspektion eines angegriffenen Dorfes verwiesen. Hier finden sich Spuren der brachialen Aggressoren, eine unheilvolle Stille stummer Zeuge der Gewalt. Leer und trostlos, das pulsierende Leben entwichen entpuppt sich die vormals beschwingte Behausung, eine der Lustquellen in denen Guerillea und Konsorten der Überheblichkeit frönten, zur mahnenden Ruinenstätte.

Als in der Folge auch noch ein herrenloses Boot samt massakrierter Besatzung entdeckt wird, haben  endlich die ominösen Ameisen ihren großen Auftritt und krabbeln bühnenreif aus den Leichen. Erste Crewmitglieder finden den Tod und die gelangweilte Stimmung des vormals eher relaxten Flussgeschippers schlägt in apokalyptische Sphären um. Passend dazu entbrennt ein tosendes Gewitter, ein weiteres Aufheulen der Natur angesichts der unerwünschten Eindringlinge. Der von Mission und Lage nun hasserfüllte Kapitän entwickelt sich etwas zu schnell vom einst souveränen Wichtigtuer zu einem dauerbrüllenden Irren, der alles und jeden zusammenstaucht und mit wahnhaftem Blick in Richtung der militanten Krabbeltiere faucht. Bei einem schieren Blick bleibt dann auch die meiste Action, der Erzähler steht in sicherer Entfernung zu den faszinierend organisiert auftretenden Ameisenhorden und berichtet über das Spektakel. Guerillea lässt aus allen Rohren ballern und ein hollywoodreifer Kanonendonnerschauer posaunt den Hörer aus der Entspannung der vorherigen zwei Drittel. Ein Feuerstoß in der Nacht. Der Feind scheint diffus, nicht wirklich greifbar, so als hätte der mattschwarze Dschungel seine Fratze entblößt, um sein Territorium mit Macht zurückzuerobern. Mit genügend Feuerkraft und noch mehr Geschrei des Kapitäns wird schlussendlich die ameisenbesetzte Nusschale filmreif versenkt und die zermürbte Besatzung samt alkoholsierten Guerillea tritt den Heimweg nach Großbritannien an.

Dort angekommen sitzt der desillusionierte Erzähler in einem feinen Büro in steriler Atmosphäre und erstattet aufgeregt Bericht. Mit ergriffener Stimme schildert er das Erlebte, die Furcht, den Wahnsinn und die Sorge um das Heimatland. Das Versenken eines einzelnen Boots war schließlich nicht mal ein Teilerfolg, unzählige Kreaturen würden in den dunklen Schleiern der Wildnis lauern und das gesamte Amazonasgebiet einnehmen, sich gar weiter ausbreiten und die Weltherrschaft anstreben, inklusive dem stolzen Empire. Doch seine flammende Rede stößt auf taube Ohren, zu selbstzufrieden legen die Zuständigen das Geschehen zu den staubigen Akten mit dem belustigenden Verweis auf die unumstößlichen Macht der britischen Krone. Somit gehen alle Beteiligten in eine ungewisse Zukunft.

Ameisenangriffe, die aus der sicheren Obhut eines Fernglases heraus verfolgt werden, Reiseführerstimmung anstatt packender Urgewalt. Charaktere wie die des Kapitäns, die mit gewaltigen Overacting an die Grenzen der Seriösität gehen. Trotz manch stimmiger und auch entspannter Momente bietet das vorliegende Hörspiel wenig Erbauliches. Der versprochene Grusel verliert sich sowieso kurz nach Fahrtantritt in sumpfigen Gewässern. Warum man auf der einen Seite sehr darauf bedacht war, die grüne Hölle authentisch zu vertonen, auf der anderen Seite jedoch schlicht vergessen hat die gefährlichen Ameisen mit Soundeffekten zu versehen, bleibt wohl auf ewig ein Geheimnis der Hörspielmacher. Wenn sie mal nicht in den sowieso ständigen Erzählungen, Gerüchten und Überlieferungen vorkommen, verkommen die wenigen wirklichen Auftritte der Insekten zu belustigend stillen Versionen scheinbar akuter Gefahr. Verstärkt wird dies noch durch die konsequent distanzierte Haltung des Erzählers, der nur kommentiert, sich jedoch nie aktiv im Zentrum des intensiven Geschehens befindet um den Hörer dadurch mitzureißen.

Die Moral von der sorglosen Weltmacht und die realistische Sounduntermalung sind gelungen, Augenblicke echter Schauer oder ein konstanter Spannungsbogen sind jedoch verbesserungswürdig.




Kommentare

  1. Hab das Foto etwas verkleinert, da es in der Browseransicht (Mozilla) in die Links ragte.

    AntwortenLöschen
  2. Die Serie hat so langsam aber sicher seinen Tiefpunkt erreicht. Denn wenn man schon 20.000 Meilen unter dem Meer und die Zeitmaschine als Grusel Bezeichnent obwohl es SciFi ist dann kann was nicht mehr ganz Rund Laufen bei Titania. Das ist kein Gruselkabinett sonder ein Dramakabinett. Es ist einfach nur noch Peinlich was die Abliefern und wehe man Schreibt denen das als Kritik. Da wird nicht drauf Geantwortet oder es kommt ein Großkotziger Satz wie"Wir sind völlig Erhaben über alles" Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen