Dunkle Fluten - Der Fluch von Loch Ness (Die schwarze Serie 3, 2002)

Loch Ness, Schottland. Lichtlose Wunder der Tiefe im Herzen endloser Dunkelheit.

Bleischwere Schwärze umhüllt die Stille der Nacht. Das nahe Fischerdorf ruht, einzig ein liebestrunkenes Pärchen tollt durch die tänzelnden Kernschatten am Ufer des schweigenden Gewässers. Aus Furcht vor der gespenstischen Aura des kleinen Friedhofes, suchen die Liebenden Halt auf einer Holzbank mit Blick auf die schier unendlichen Weiten des Wellengrunds, der allein von Silberreflexionen des Mondscheins erhellt wird. Funkelnde Lichtsalven gleiten über der finsteren Wasseroberfläche, jene vormals sanften Wellenbewegungen werden schneller und schneller. Urplötzlich ertönt ein dumpfes Grollen aus den Tiefen, ein Riss peitscht durch die Stille und mit infernalischen Getöse erhebt sich ein monströser, nachtfarbener Schlangenkopf aus den schäumenden Fluten, der nach den entsetzten jungen Leuten mit weit aufgerissenem Maul schnappt, die ihr Heil in eiliger Flucht suchen.

Es sind Momente wie dieser, in denen das Hörspiel brilliert, gar schockiert und in wohlige Schauer eintaucht. Der eigentliche Plot ist dagegen eher bestenfalls skurril unterhaltsam, im schlimmsten Falle unausgegoren. In den 1930er Jahren verschwinden zwei Kinder im schottischen Hochland, die trauernde Mutter wird wenig später tot geborgen, der Vater verschwindet ganz. Finsteres Hochland. Mittendrin ein leider schon direkt als dämonisch vorgestellter Pater, der okkulte Rituale durchführt, dabei schaurig lacht und seine frommen christlichen Messen als Deckmantel des Bösen abhält, dabei trauernden Angehörigen mit milder Stimme und besorgtem Blick ins Gesicht lügt.

Zeitsprung in die Moderne (der im Hörspiel nicht sofort als solcher erkennbar ist). Im sogenannten Digitalzeitalter reist der junge, schlagfertige Journalist George (glänzend unbekümmert gesprochen von Nicolas Böll) in eben jenes geheimnisumwitterte Dorf, um im Auftrag seines Verlages ein Bild vom sagenhaften Ungeheuer von Loch Ness zu schießen. Dort lernt er schnell die humorigen Eigenarten der schottischen Küche kennen. Diese launigen Szenen stehen im starken Kontrast zur düsteren Atmosphäre der Anfangsminuten. Gag folgt auf Gag und es reißt auch nicht ab, als George im urigen Dorfkrug den Nessie-Experten Morris (gewohnt stark: Charles Rettinghaus) kennenlernt. Die beiden Männer freunden sich rasch an und bilden von da an das zentrale Duo des Hörspiels. Morris berichtet dem skeptischen George über verschiedene Sichtungen des Monsters, Mythen und Legenden, auch will er selbst dem Urwesen schon einmal von Angesicht zu Angesicht begegnet sein. George will es jedoch bis zum Ende der Geschichte nicht gelingen ein Bild des Ungeheuers zu entwickeln: Mal wird die Kamera gestohlen, mal fällt das Handy ins Wasser, dann wieder wird von einer dritten Person vergessen die Schutzkappe beim Ablichten abzunehmen. Dieser Running-Gag fügt sich jedoch als auflockerndes Element gut in die Rahmenhandlung ein, die neben dem Eingangs beschriebenen Monsterangriff auch einen weiteren dunklen Pater mit rituellen Absichten, sowie eine mysteriöse Alte aufzubieten weiß.

Die stärksten Momente sind die in die Vergangenheit reichenden Ermittlungen der zwei Hauptprotagonisten, die Chemie zwischen den Sprechern ist hervorragend, die akustische Vertonung mit lebhaften Vogelgezwitscher und leisem Wellenspiel ebenso authentisch. Leider wird auch hier der zwielichtige Pater zu schnell als Antagonist präsentiert, zu schnell werden vermeintliche Verknüpfungen als Richtig interpretiert, zu schnell wird das dunkle Geheimnis ans Tageslicht gebracht. Wo Morris und George Minuten vorher noch in absoluter Dunkelheit der Ungewissheit tappten, erscheint ihnen Momente später alles glasklar.

Die finale Auflösung mitsamt Leichenausgrabung am Friedhof und anschließender Übergabe des Sarges an das von Schaumkronen umrankte, brüllende Ungetüm auf der sturmgepeitschten Seemitte sind temporeich und spannend in Szene gesetzt. Aus Spoilergründen möchte ich auf das doch etwas kuriose Ende, wer denn nun wirklich Nessie ist und wie dies alles mit der verschwundenen Familie verknüpft ist, nicht im Detail eingehen. Richtig überzeugt hat es mich aber nicht, trotz der bisweilen tollen Atmosphäre.

Es gibt jedoch ein echtes Monstrum und diese Gewissheit schwebt als stumme Warnung über der Geschichte, wie wallende Nebelschwaden über der unschuldigen Seeoberfläche.

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