Unterm Radar #2 - Deutschrap, der mehr Aufmerksamkeit verdient (Isar - Streifzug)

Isar gehört zu der Sorte Künstlern, die einem im Gedächtnis verhaftet bleiben. Mit seiner tief-markanten Stimmlage, dem grundsympathischen Auftreten und einem gesunden Maß an Selbstreflexion gekoppelt mit facettenreichen Texten, die gerade im späteren Laufe der Karriere an Reife und Authentizität gewannen, konnte er stets auf seine Art überzeugen. Dabei ist der Deutschtürke fortwährend im Status eines Geheimtipps verankert geblieben, der die großen Bühnen des Mainstreams nie betrat und doch als Szene-Urgestein am Rande der Showtreppe in vernebelten Gassen seine Realness pflegte. Erstmals in Erscheinung trat Isar im Jahr 2002 an der Seite von Kumpel MC Basstard auf dessen legendären Untergrund-Hit "Fegefeuer" als quirliger Doubletimepoet, zärtlich an der Oberfläche des Horrorcore kratzend. Sein unbeschwertes Auftreten sicherte ihm in der Folge zahllose Auftritte auf Mixtapes als Mitglied der berüchtigten Bassboxxx-Crew und als gern gesehener Gast im Umfeld der Berliner Rapszene um B-Lash, Vero One oder Taktloss, darunter eine Videoauskoppelung des atomsphärisch starken Tracks "Meine Stadt" vom B-Lash Street-Tape 2007. Ebenfalls in diesem Jahr erschien sein erstes Soloalbum "Berliner Bär", das stilistisch sehr auf der damaligen aggro-geschwängerten Gangsta-Rap Welle im Deutschrap glitt, jedoch als Flop verbucht werden muss. Anschließend wurde es bis auf vereinzelte Features ruhiger um ihn, der Fokus verschob sich auf Privates, sowie beruflich zweite Standbeine im sozialen Bereich, im Hinterkopf blieb jedoch immer die Musik.

Isar - Streifzug (2015)

So erschien dann nach längerer Pause im Jahr 2015 sein zweites Solo "Streifzug", ein gereiftes, fast schon als frühes Alterwerk zu bezeichnendes Album, das mit Vielfalt, textlicher Aufwertung und frischem Hunger auf das Game glänzte. So finden sich hier sowohl die für ihn typisch drückenden Representer wie "Bang Bang" oder "Dis is der Lifestyle", entspannt-atmosphärisches Sinnieren auf "In meinem Blut" und "In der Nacht", sowie eine reflektierte Rückschau auf vergangene Untaten in "Schuldig".

Auch fand eine lange überfällige Bassboxxx-Crew Reunion statt, die in einem gemeinsamen Bonus-Track kulminierte. Trotz dieser Momente ist die Grundhaltung des Albums über weite Strecken relaxter, auch im oftmals entschleunigten Soundbild, wie beim nostalgisch tönenden "Outro". Dort dankt Isar seiner Familie, Freunden und den Fans für die Treue und Rückhalt und der Hörer möchte es ihm gleichtun. Zu den Feature-Parts gesellen sich fast ausnahmlos alte Weggefährten, doch liegt die klare Fokussierung konträr zum vorherigen Album erfreulich stark auf ihm selbst.

Isar wirkt mit sich selbst im Reinen, ist sich seiner Position bewusst, doch möchte es nochmals nach all der Zeitspanne wissen. "Übernehmen", doch "ganz entspannt", was in einer angenehm prägnanten Hörerfahrung mündet, die sich im elegant skizzierten Cover wiederspiegelt.

Ein Streifzug durch Berlin und das innere Selbst.

Warum war es 2015 kein durchschlagener Erfolg?

Mitte 2015 standen die Zeichen im boomenden Deutschrap auf Veränderung, die sich dann ab Ende 2016 flächendeckend ausbreitete und seit 2017 in den Klängen gipfelte, die bis heute chartmäßig vorherrschen: Viele Newcomer drängten in die Szene, die Produktionen wurden internationaler, trap-lastiger, Pop verschmolz mit Rap als beständiger Chartleader, der Gangsta-Rap veränderte sich ebenso vermehrt ins Kommerzielle und in genau dieser Vor-Zeitebene erschien mit "Streifzug" ein Album eines für viele Konsumenten unbekannten Rappers, der sich Trends und musikalischen Vorboten entsagte, eine geringere Reichweite bot und schlicht sein eigenes Ding durchzog in gereifter Ausführung.

Wie ging seine Karriere weiter?

Stichwort Trends. Überraschend veröffentlichte Isar im November 2018 mit der 5-Track starken EP "Alleine im Chaos" das bis dato aktuellste Release, das sich vom Sound-Design her in Richtung modernerer Gefilde bewegte, ohne jedoch die bewährten Stilelemente zu vergessen. Hervorzuheben ist hier der Song "Patronen", der eine schöne Symbiose aus sphärischen Trapversatzstücken und Isars Trademarks darstellt.

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