The Surge: Warum das Setting eben doch funktioniert






Mit Anerkennung und Preisen ausgezeichnet steht die Frankfurter Entwicklerschmiede Deck13 spätestens seit 2017 in der Topriege europäischer Softwarekunst. Das Projekt "The Surge" entsprach ganz dem Geiste des Soulslike-Genres, jener ultrabeinharter Actionabenteuer mit Rollenspielanleihen und hohem Sterbens- wie Erlebensfaktor, die ihren Ursprung in der Dark Souls Spieleserie begründet sieht (Demon's Souls 2009).

2014 mit dem Titel "Lords of the Fallen" noch grundsolide (doch mit diversen Macken in Technik und Spielstruktur) in die frustsuchterzeugenden Universen der Duellfokussierung gestartet, wurden die von den Designern angesammelten Erfahrungspunkte fortan von der Realität in virtuelle Gefilde übertragen. Eine neue IP aus der codierten Taufe gehoben. Das nächste Level betreten.
   
"The Surge" kehrte den sicheren Pfaden altbewährter Fantasyburgenländer den exoskelettierten Rücken und präsentierte einen erfrischend modernen Anstrich im hochtechnisierten Kaltlicht der Sci-Fi-Szenerie.

Die Story ist schnell zusammengefasst: Der mächtige CREO Konzern, führend im Bereich Umwelt- und Raketentechnik startet hochriskante Versuchsreihen. Diese schlagen folgerichtig fehl und ein Großteil der Belegschaft verwandelt sich in willenlose Hüllen in brachialen Rüstungen, schwerbewaffnet und absolut tödlich. Da auch Teile der automatisierten Maschinen feindselige Strukturen entwickeln, gehören auch schnell Baukräne, Schweißbrennerdroiden und Sicherheitsdrohnen zur Gegnerschar. Der Spieler übernimmt die Kontrolle eines Mitarbeiters, Warren, der sich seinen ersten Arbeitstag sicherlich anders vorgestellt hat. Wenigstens tauscht er in einem hübschen Anfangstwist seinen Rollstuhl gegen ein machvolles Technikgerüst, das ihn wieder gehen und in all dem Chaos kämpfen lässt. Der Clou an diesem Kampfsystem ist das systematische Anvisieren und Abschlagen unterschiedlicher Körperteile und Waffen der menschlichen Feinde um stärkere Ausrüstungssets zu erhalten. Diese bringen wiederum zusätzlich Punkte, Altmetall genannt, ein die Rüstungswerte und Kernstufen verbessern, um letztlich für den Fortschritt essentielle Schaltkreise zu überbrücken.

Spieler wie Kritik lobten das innovative Spieldesign, die fühlbare Steigerung zum vorherigen Titel, das unverbrauchte Szenario. Als negative Punkte wurden neben der repetetiven Grundformel auch die grundlegende Levelarchitektur eingetragen. Von unübersichtlich ähnlichen, trist monotonen Umgebungen ohne Überraschungsmoment war vielerorts die Rede. Der harsche Charme einer blinkenden Baustelle.

Da "The Surge" als genereller Erfolg verbucht wurde, behandelt der 2019 erscheinende Nachfolger auch die bauliche Thematik auf besonderer Ebene. Gameplayvideos von dichtbegrünten Wäldern und zerfallenen Stadtlandschaften bilden den neuen Schauplatz erbitterter Kämpfe.

Doch war es im Erstling wirklich so eintönig? Ein Blick auf die optische Idee hinter "The Surge".
    
Im Laufe des Abenteuers durchstreift Warren unterschiedliche Bereiche des gewaltigen Werksgeländes. Tageslicht ist rares Gut, meist wandelt er unter ständiger Vorsicht durch hochsterile Fertigungskomplexe, Biolabore und Sicherheitsschleußen, deren klinischkühle Beleuchtung die einst so geschäftigen Anlagen zu metallischen Grabkammern verkommen lassen, einzig scheinbar beseelt durch irrgewordene Wächter. Überall im Gelände befinden sich Breitwandmonitore, auf denen sich zu werbejinglefreudiger Untermalung seichte Parolen des Firmengründers sowie ersten Sprachrohrs zur globalen Verbesserung in Endlosschleife abspielen. Diese Durchsagen, quasi Zeitzeugen der Normalität, verkommen im zerstörten Areal zu robothaft verzerrten Fratzen, sind doch eben diese Saubermänner für die formvollendete Katastrophe verantwortlich. Später im Spiel findet man den omnipräsenten Firmensprecher erhängt vor dem Greenscreen. Metallische Grabkammern.

An markanten Eckpunkten wie dem verlassenen Raketenfriedhof durchströhmt kurz staubflirrende Luft den postapokalyptischen Außenbereich und ein Hauch Leben zeigt sein scheues Gesicht. Die meist ausbleibende Musik findet in solchen Momenten zu wärmend sphärischen Augenblicken. Nachdem man sich über sie siloüberzogenen Außenbezirke und diverse unterirdische Bereichsgefüge gekämpft hat kommt man dem Hauptbereichsgebäude samt Vorstandsetage sukzessive näher. An einer speziellen Stelle im Spiel taucht man nach langen Wirrungen aus stickig giftmüllverseuchten Gängen an der Oberfläche auf und blickt in einem seltsam erhabenen Moment auf die beeindruckende Fassade des Konzernmittelpunkts in naher Ferne. Das Spiel und seine Geschichte funktioniert so über viele kleine Details und Bilder, die im Leveldesign eingebaut sind. Je näher man dem Zentrum kommt, desto desaströser wird die Lage. Selbst unser Held ist nur eine emotionslose Maschine, die ständig Teile zur Verbesserung benötigt. Gespräche mit anderen Überlebenden gestalten sich trotz Antwortmöglichkeiten eigenartig distanziert und leer. Die einzig hilfreiche Person stirbt gen Ende in einer weiteren Übertragung vor seinen Augen. Eine Reaktion darauf erfolgt nicht. Warren will einfach nur raus, ist gleichzeitig aber unausgesprochen elektrisiert ob seiner neuen Kräfte, die er im Ruhepol der gesicherten Versorgungsstationen, die man durch hochgradig intelligent ausgearbeitete Abkürzungen von den unmöglichsten Levelbereichen aus plötzlich entdeckt, stetig übertrifft.

In der edlen Vorstandsetage nebst fein polierten Böden und Skulpturen spielt eine sonderbar einfältige Fahrstuhlmusik. Das glattgebügelte Auftreten der inzwischen toten Bosse: eine weitere Form der Arroganz sehenden Auges in den engstirnigen Untergang. In den spärlichen Außenflächen, meist innenhofähnlicher Ästhetik bleibt das gute Wetter erhalten. Der Schein trügt, wie auch in den hochglänzenden Innenbereichen dieses verlogenen Unternehmens.

Im DLC wurde noch ein weiterer Bereich freigeschaltet, der firmeneigene Vergnügungspark. In ähnlich furchterregendem Zustand. Hier trifft die hintergründige Methodik der Gegensätze komplett ins Schwarze. Ärger könnte man die heile Welt der Weltverbesserer mit ihren eigenen Fehlleistungen nicht treffen.

"The Surge" mag in manchen Punkten verbesserungswürdig sein, die eindringliche Dramatik eines unnahbaren Machtgefüges im Zerfall wird jedoch auch optisch nachhaltig erreicht. Auch ohne Open World Sandkasten.

Kommentare

  1. Wir werden demnächst im Podcast wohl ausführen möchten, wie wichtig Immersion ist in Computerspielen. Freu mich sehr drauf!
    Erst Thief und nun Surge, scheinst auch vom Spielevirus befallen zu sein. :P

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  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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